Redebeitrag anlässlich der Gedenkveranstaltung zu den Februarkämpfen am 9. Februar 2025 in Linz.
Heute gedenken wir unseren Kämpfer:innen und Opfern des 12. Februar 1934. Nach jahrelanger Drangsalierung der Arbeiter:innenbewegung durch die austrofaschistischen Schergen, nach Beschneidung von sozialpolitischen Errungenschaften in Salamitaktik und letztlich der Aushöhlung und Zerschlagung der Demokratie im März 1933 durch den austrofaschistischen Kanzler Dollfuß begann genau an diesem Ort der mutige Aufstand unserer Vorgänger gegen den fortschreitenden Faschismus in Österreich.
Die Demokratie in der Ersten Republik, maßgeblich von der Sozialdemokratie erkämpft und auch gelebt, stand seit der Ausrufung am 12. November 1918 auf sehr fragilen Beinen. Nach Jahrhunderten in Unterdrückung durch die Monarchie, musste die demokratische Staatsform erstmal gelernt und belebt werden. Zudem war sie von Beginn an massiven Angriffen ausgesetzt. Die Christlichsozialen, ihre paramilitärischen und parteinahen Verbände hetzten lange vor 1933 gegen die Demokratie.
Wenn wir heute hier stehen und jenen mutigen Männern und Frauen gedenken, die sich in den 1930er-Jahren gegen die demokratiefeindlichen Angriffe gewehrt haben, so tun wir das auch mit einem besorgten Blick in die unmittelbare Gegenwart.
So wie es scheint, wird die FPÖ, die geprägt ist von rechtsextremen Vorfällen, Kanzlerpartei. Und Kickl, der den Begriff des Volkskanzlers, der ursprünglich von den Nazis kommt, ungeniert für sich verwendet, wird dieser Regierung vorstehen. Getragen und geduldet von einer ÖVP, der Machtinteressen und eine Klientelpolitik für die Profite der Konzerne wichtiger sind, als die Verteidigung unserer Demokratie.
Aber wird es denn wirklich so schlimm kommen, wie wir befürchten? Hochrangige ehemalige Politiker:innen, unter ihnen Heinz Fischer, Ferdinand Lacina, Heide Schmidt oder Franz Fischler, sehen die Grundlagen der Zweiten Republik gefährdet. Sie warnen eindringlich vor der FPÖ, insbesondere vor Kickl als Kanzler.
Die renommierte deutsche Zeitung „ZEIT“ spricht sogar von einem Kipppunkt für die Zweite Republik. Aber wie sind die Aussichten aktuell tatsächlich?
Lasst mich fünf wesentliche Punkte hervorheben, die ich als zentrale Säulen unserer Demokratie sehe und die aktuell in Gefahr sind.
Erstens muss eine Regierung auf dem Fundament unserer Verfassung und unseres Rechtsstaats handeln. In der Vergangenheit wurden in Schwarzblauen Regierungen immer wieder verfassungs- und europarechtswidrige Gesetze verabschiedet, die später aufgehoben werden mussten. Sie wurden zum Gesetz, obwohl Expert:innen genau vor dieser Gesetzeswidrigkeit gewarnt hatten. Das Bekenntnis einer Regierung zum Rechtsstaat muss glaubwürdig sein. Das ist bei einem möglichen Kanzler Kickl, der gesagt hat, das Gesetz müsse der Politik folgen und nicht umgekehrt, mehr als fraglich.
Zweitens braucht eine funktionierende Demokratie eine unabhängige Justiz, die ohne Einflussnahme der Politik arbeiten kann und muss. FPÖ und ÖVP geraten immer wieder unter Korruptionsverdacht, mehr als jede andere im Parlament vertretene Partei. Wir haben miterlebt, wie beide Parteien die Justiz in den letzten Jahren immer wieder scharf angegriffen und attackiert haben, insbesondere, wenn gegen Funktionär:innen aus ihren Reihen ermittelt wurde.
Drittens ist auch die Pressefreiheit eine wesentliche Säule unserer Demokratie. Seit Jahren greift die FPÖ den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, also den ORF, massiv an und will neben massiven Einsparungen anstelle der bürger:innenfinanzierten Haushaltsabgabe eine Budgetfinanzierung des ORF durchsetzen und damit unter Einfluss der Regierung stellen. Also Kickl-TV anstelle eines unabhängigen und breiten öffentlichen Auftrags.
Zudem werden kritische Medien angegriffen, ich erwähne beispielsweise die Attacke auf den Standard, den die FPÖ erst kürzlich als Scheissblatt bezeichnet und mit einer Einstellung der Presseförderung droht. In den letzten Jahren haben wir auch am Rande von FPÖ-Veranstaltungen immer wieder Übergriffe auf Pressevertreter:innen wahrgenommen, kritische Medien wurden explizit ausgeschlossen und Journalist:innen angegriffen.
Demgegenüber sollen so genannte „alternative Medien“ an Bedeutung gewinnen. Gemeint sind die rechten und rechtsextremen Fake-News-Schleudern. Sie sind wesentlich für die Propaganda der FPÖ und ich erinnere an dieser Stelle auch an mehr als 100.000 Euro, die in der letzten 1 ½ Jahre andauernden Regierungsbeteiligung der FPÖ von ihren Ministerien für Inserate in diesen rechten Medien ausgegeben wurden.
Viertens zeichnen Meinungs- und Demonstrationsfreiheit unsere Demokratie aus. Das bedarf auch einer starken Zivilgesellschaft. Wir erleben gerade, dass es Einschüchterungsversuche gegen NGOs gibt, die sich in den letzten Wochen und Monaten für eine starke Demokratie engagiert und Kundgebungen organisiert haben. So wurden beispielsweise im Wiener Landtag von der FPÖ kürzlich Anträge zum Förderstopp für jene NGOs, etwa die Volkshilfe, eingebracht.
Es darf befürchtet werden, dass nach dem FPÖ-Vorbild Orban zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrem Spielraum eingeengt werden. Auch die Arbeiterkammer als Interessensvertretung der unselbständig Erwerbstätigen wird massiven Angriffen ausgesetzt sein. Eine Kürzung oder gar Streichung der Pflichtmitgliedschaftsbeiträge etwa würde ihr die finanzielle Grundlage entziehen.
Und fünftens bin ich auch davon überzeugt, dass unser Sozialstaat, sozialen Frieden und Demokratie erst ermöglicht. Die Sozialdemokratie hat den Sozialstaat am Beginn der Ersten Republik erkämpft. Er war wesentlich von Ferdinand Hanusch geprägt und brachte auch den Arbeiter:innen soziale Absicherung, betriebliche Mitsprache und gesundheitliche Versorgung. Nach der Befreiung vom Faschismus war die SPÖ maßgeblich am Aufbau unseres Sozialstaates beteiligt.
Die Schwarz-Blauen Regierungen seit den 2000er Jahren waren für die größten Einschnitte und Zerschlagungen in unserem Sozialsystem verantwortlich. Was über die aktuellen Koalitionsverhandlungen an die Öffentlichkeit gedrungen ist, lässt Schlimmes erahnen und wird Frauen, Kinder und Jugendliche, Arbeitnehmer:innen, Pensionist:innen, Arbeitslose und Menschen mit Migrationsbiografie massiv treffen.
Liebe Genoss:innen, eine soziale Demokratie, wie wir Sozialdemokrat:innen sie verstehen und hochhalten, ist also wesentlich mehr, als bei Wahlen eine Stimme abzugeben. Ich teile den Befund und die Warnungen vieler, dass sich diese Zweite Republik an einem Kipppunkt befindet und ich mache mir große Sorgen um unsere liberale Demokratie.
Die Sozialdemokratie war schon im November 1918 maßgeblich für die Errichtung der Ersten Republik verantwortlich und eine starke Treiberin bei der Erarbeitung einer demokratischen Verfassung. Unsere Genossinnen und Genossen waren es auch, die die Demokratie in der Ersten Republik und besonders im Februar 1934 mit Leib und Leben verteidigt haben. Sie haben gegen den Austrofaschismus und den Nationalsozialismus Widerstand geleistet.
Die SPÖ hat die Zweite Republik und ihre parlamentarische Demokratie nicht nur wieder mitaufgebaut, sondern sie 80 Jahre lang gelebt und weiterentwickelt. Und wir werden jetzt alles daran setzen, die Demokratie in unserem Land mit aller Macht und Kraft zu verteidigen.
Dazu müssen wir ein Bündnis mit der Zivilgesellschaft eingehen und einen Schulterschluss mit allen Kräften fassen, die unsere Demokratie verteidigen wollen. Viele Menschen wollen jetzt angesichts der aktuellen Entwicklungen aktiv werden und sich einbringen. Wir haben das in den letzten Tagen und Wochen gesehen. Als SPÖ müssen wir endlich die schädlichen und schändlichen internen Grabenkämpfe überwinden und geeint die Spitze dieser Bewegung für unsere Demokratie bilden.
Das sind wir auch jenen Vorkämpfer:innen unserer Bewegung schuldig, denen wir heute für ihren heroischen Widerstandskampf gedenken.
Nie wieder ist jetzt!
Demokratie verteidigen!
Freundschaft