Rede zur Eröffnung des Haus der Erinnerung beim Stollensystem „Bergkristall“ am 25. Oktober 2020 in St.Georgen/Gusen
Sehr geehrte Damen und Herren!
Im Mai vor 75 Jahren wurde Österreich vom Nazifaschismus befreit. Jahrzehntelang wurde die Geschichte der Naziverbrechen auf den Ort Mauthausen konzentriert. Über viele Orte der Außenlager und Orte des Verbrechens ist im wahrsten Sinne des Wortes Gras gewachsen. Sie wurden unsichtbar, auch im Geschichtsbewusstsein der Republik.
Es hat lange gedauert, bis sich Österreich 1991 erstmals offiziell zu der Verantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus bekannt hat. An vielen Orten des Verbrechens wurde mittlerweile ein würdiges Gedenken ermöglicht. Meistens sind diese Gedenkorte, diese Mahnmäler und Orte der Erinnerung der unermüdlichen Arbeit regionaler Gedenkinitiativen und Opferverbänden zu verdanken. Und genau so ist es auch hier.
Ich freue mich, dass es nach 75 Jahren endlich auch gelungen ist, hier am Stollensystem Bergkristall, mit der Eröffnung des Hauses der Erinnerung Aufklärungs- und Gedenkarbeit Platz zu schaffen. Ich danke allen, die sich seit Jahren, ja Jahrzehnten dafür stark gemacht haben, die Geschichte der Häftlinge in diesem Stollenbau aufzuarbeiten, Gedenken zu ermöglichen. Dass wir heute hier stehen können, ist euer aller Verdienst.
Ich konnte miterleben, wie der Bau dieses Hauses ein Projekt von vielen Menschen geworden ist, die sich hier ehrenamtlich eingebracht haben und ich möchte jedem und jeder einzelnen für ihren Einsatz Danke sagen. Im Besonderen der Bewusstseinsregion Mauthausen-Gusen-St.Georgen mit der Geschäftsführerin Andrea Wahl und der Gemeinde St.Georgen mit Bürgermeister Erich Wahl an der Spitze.
Das Vermächtnis der Überlebenden, die Geschichte wach zu halten und niemals zu vergessen, alles zu tun, damit sich derartiges nicht im Ansatz wiederholt, muss unser aller Auftrag sein. Erinnerungs- und Aufklärungsarbeit bekommen in diesem Haus Platz. Sie braucht aber auch Menschen, die diesen Auftrag annehmen.
Viele Menschen in der Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St.Georgen tun das. Sie übernehmen Verantwortung. Dank ihrem Engagement bleibt Geschichte nicht länger unsichtbar. Sie wird bewusst sichtbar gemacht. Und es wird Bewusstsein geschaffen dafür, dass es zu diesem großen Bösen, wie Michael Köhlmeier es beschrieben hat, nie mit einem Schritt kam, sondern mit vielen kleinen, jeder zu klein für eine große Empörung.
Es hat nicht begonnen mit Auschwitz, Dachau oder Mauthausen. Es hat begonnen mit Ausgrenzung, Diskriminierung und Hetze. Es hat begonnen mit einem Auseinanderdividieren in ein Wir und Die. Das viel zitierte „aus der Geschichte lernen“ heißt genau auf solche Entwicklungen jederzeit und überall aufmerksam zu machen. Solidarisch und gemeinsam das Heute zu gestalten. Das soll hier passieren.
Dieses Haus ist also nicht nur ein Haus der Erinnerung und ein Ort des Gedenkens. Es ist ein Haus des Sich-Begegnens, des Austausches und des Zusammenlebens. Es ist ein Haus des Lernens, des Voneinander-Lernens und der Solidarität. Es ist ein Haus, wie wir es in Zeiten wie diesen so dringend brauchen.
Der Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer hat einmal gesagt: „Ihr seid nicht verantwortlich für das was geschah, aber dass es nicht wieder passiert, dafür schon.“
In diesem Sinne, niemals vergessen, nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!